Besser spät als nie, das trifft wohl (leider) auf diesen Beitrag zu: Seit lange, wirklich lange, habe ich eine Reolink RLC-420-5MP IP-Kamera vom Hersteller zum Testen. Seit genauso langer Zeit möchte ich über diese Kamera und den Hersteller schreiben.
Gleich Vorweg, dies ist kein Sponsored Post o.ä. Reolink hatte mich gefragt, ob ich ein Gerät testen möchte und da sag ich als Techie nicht nein.
Zur Kamera
Bei der RLC-420 handelt es sich um eine relativ kompakte PoE-Dome-Kamera, die es sowohl mit 4- als auch 5MP-Auflösung gibt. Der erste Eindruck nach dem Auspacken ist gut, trotz des niedrigen Preises besteht das Gehäuse aus Metall (vmtl. Aludruckguss o.ä.), dadurch wirkt die Kamera robust und ist sowohl für Innen als auch Außen geeignet. 30m Nachtsicht (18 Infrarot-LEDs) und ein Blickwinkel von 80° tun ihr übriges. Optional kann eine Speicherkarte eingesetzt werden. Das Übliche wie Bewegungserkennung, Upload via FTP, Mail-Versand, Push-Benachrichtigung ist ebenfalls onboard. Soweit lässt die Kamera fast keine Wünsche offen.
Eine Montage ist abgesehen von der Kabelpeitsche recht simple. Den Ring an die Wand dübeln, eine Bohrschablone liegt bei, und die Kamera einsetzen. Was die Installation im Außenbereich betrifft, so sollte man sich überlegen, ob man entweder ein entsprechend großes Loch in die Wand bohrt um alle Kabel hindurch bringen zu können, vmtl. ist es eher zu Empfehlen eine Verteilerdose zu setzen in der die Kabelpeitsche untergebracht wird. Im Lieferumfang der Kamera ist zwar ein Verschluss für das Netzwerkkabel vorhanden, allerdings bedeutet dies, das man selbst RJ45-Stecker crimpen müsste.
Diesen Gedanke mit der Verteilerdose hatte wohl auch der Hersteller, so findet sich im Zubehör die optionale Anschlussdose D20.
Apropos Kabelpeitsche, dort gibt es neben dem RJ45-Anschluss einen Reset-Taster und einen Netzteil-Anschluss. Da die Kamera mittels PoE mit Spannung versorgt wird, ist nicht ganz klar, wozu dieser zusätzliche Anschluss dient. Im Lieferumfang als auch im Zubehör ist kein Netzteil vorhanden. Möglich das man die Kamera darüber, sofern kein PoE vorhanden ist, versorgen kann. Geklärt ist das allerdings nicht.
Der Zugriff erfolgt sowohl via Browser als auch Reolink Client, selbstverständlich gibt es auch eine Smartphone-App für Android und iOS. Das Web-Interface ist nur auf Englisch verfügbar. Die relevanten Einstellungen für die Bildqualität finden sich gleich rechts in den Menüs. Detail- bzw. erweiterte Einstellungen verbergen sich hinter einem Zahnrad-Symbol.
Etwas unschön ist das automatische Anpassen beim Aufruf via Browser, d.h. das Seitenverhältnis stimmt dann nicht unbedingt, was wiederum zu einem verzerrtem Bild führen kann. Ein Klick auf „Center“ (Kreuzsymbol neben dem Fotoapperat) und es passt (wieder). Soweit ist das nur eine Kleinigkeit bzw. Kosmetik.
Die Wiedergabe erfolgt übrigens mittel Adobe’s Flash Players. Daher ist dieser aktuell noch notwendig. Die Abfrage ob Flash aktiviert werden darf kann man im Firefox leicht übersehen und man wundert sich dann, warum nichts angezeigt wird. Bleibt zu hoffen, das mit einer zukünftigen Firmware kein Flash mehr notwendig ist.
Sofern eine Speicherkarte eingesetzt ist und sich Aufzeichnungen darauf befinden, kann direkt im Browser über die Schaltfläche „Playback“ und über eine Zeitleiste diese angesehen werden.
Reolink App
Für Android und iOS gibt es eine App mit der direkt auf die Kamera, oder sofern vorhanden auf einen NVR, zugegriffen werden kann.
Die wichtigsten Funktionen und Einstellung sind vorhanden. Im Gegensatz zum Web-Interface gibt es, wie auch im Reolink Client, die Möglichkeit in das Video hinein zu zommen. In der App nenn sich diese Funktion „Clip“.
Reolink Client
Die kostenfreie Software Reolink Client bietet unter Windows und Mac die Möglichkeit bis zu 64 Kameras anzubinden oder beispielsweise auf einen NVR zuzugreifen.
Die Ansicht ist konfigurierbar, Einstellungen gibt es für den Client ansich relativ wenige, dafür kann die Kamera aus der Ferne konfiguriert werden, zumindest was die Streams betrifft. Ebenso existiert die Option mit Playback und Zeitleiste (wie beim Browser-Zugriff auch). Im Gegensatz zum Web-Interface der Kamera kann man die Sprache im Reolink Client ändern.
Hat man kein NAS oder einen NVR kann man die Software selbst als „Überwachungs-Server“ nutzen, so das Aufzeichnungen auf dem lokalen Computer abgelegt werden.
Die Ordnergröße für die Aufzeichnungen kann begrenzt werden, dies verhindert das man sich die Platte (oder SSD) „zumüllt“. Leider gibt es keine Einstellung um dies z.B. auf x Tage/Wochen/Monate festzulegen. An dieser Stelle liese sich evtl. ein Workaround auf Basis von DelAge o.ä. Tools bauen.
Bewegungserkennung wird sowohl über ein rotes Icon in der linken oberen Ecke des Videos als auch mittels Beep signalisiert:
Sind mehrere Kameras angebunden, kann man eine Tour aktivieren. Es werden dann nacheinander die Kameras für einen festgelegten Intervall je nach Ansicht groß dargestellt.
Ein paar kleine Goodies sind die Anzeige des Netzwerkdurchsatzes, der CPU- und RAM-Auslastung, so lässt sich leicht erkennen, ob z.B. das Netzwerk mit zu vielen Stream oder der Computer schlapp machen.
Ein Zugriff auf den Reolink Client mittels Handy oder weiterem Client ist nicht vorgesehen, dies bleibt den Kameras und NVRs vorbehalten. Man kann natürlich mittels RDP, VNC, TeamViewer o.ä. auf den PC auf dem die Software installiert ist zugreifen.
Sonstiges und weiteres
Die Bewegungserkennung, gemeint ist die Empfindlichkeit, lässt sich für verschiedene Zeitfenster einstellen. Ein Zugriff via https auf die Kamera ist möglich bzw. vorhanden, leider nur mit einem selbst-signiertem Zertifikat, dieses ist nicht austauschbar. Die Kamera ist ONVIF-kompatibel.
An-/Einbindung z.B. in Synology NAS stellt kein Problem dar. Ferner kann das Livebild beispielsweise mit VLC media player abgerufen werden. Wie es mit MotionEye funktioniert wurde kürzlich hier im Blog beschrieben:
Reolink-IP-Kamera an MotionEye anbinden
Neben der guten Bildqualität gefällt natürlich der Preis. Im Vergleich zu den von uns bislang eingesetzten Kameras grenzen sich z.B. die RLC-410 und -420 deutlich nach unten hin ab. Ein Blick ins Netz zeigt in diesem Segment außer no-name-china-cams (imho) nichts wirklich vergleichbares.
Telefonieren nach Haus?
Auf die Frage, ob die Reolink-Kamera nach Hause oder sonst wohin telefoniert wurden die Verbindungen beobachtet.
Es wird eine Verbindung zu einem NTP-Server hergestellt. In den Einstellungen ist „pool.ntp.org“ hinterlegt, was zum Zeitpunkt des Tests auf einen Server mit einer IP von Wilhelm.tel (Stadtwerke Norderstedt) verwies.
Als nächstes fanden sich Verbindungen zu einer AWS-Adresse (Amazon Cloud, IP: 3.122.127.144, Ports: 9999 & 58200). Da keine großartigen Datenströme über diese Verbindungen fließen handelt es sich mutmaßlich um die Anbindung von P2P, DDNS, Updateprüfung, Push-Dienst für z.B. Smartphone-App, etc. Auf die Dauer gehalten wird wohl nur die Verbindung mit dem Port 58200/udp. Vmtl. handelt es sich um die Möglichkeit der Smartphone-Anbindung, ohne dazu an der eigenen Firewall etwas ändern zu müssen.
Wem solche möglicherweise ungewollten Verbindungen nicht zusagen, der sollte in der Router-Firewall ausgehende Verbindungen der IP-Kameras sperren.
Kleines Update zum „Nachhause-Telefonieren“ (Stand: 03.07.2019): Wie vermutet hängt das mit UUID und der, nennen wir’s mal, konfigurationslosen externen Anbindung zusammen. Wenn man kein DDNS, Firewall-Freigaben etc. erstellen möchte, ist das eine feine Sache, allerdings laufen die Daten so über einen Server vom Hersteller. Wenn man diese Funktion nicht möchte, deaktiviert man sie in den Einstellungen.
Firmware-Updates
Der Hersteller pflegt soweit man das aktuell beurteilen kann seine Produkte. So gab es während der Test-Phase zwei Firmware-Updates sowie neue Versionen des Reolink-Clients. Zu Beginn der Teststellung war seinerzeit nicht ganz klar, welche Firmware-Datei eingespielt werden muss denn offenbar gab es in der Vergangenheit eine andere Hardware-Revision, so das man zuerst etwas suchen und ausprobieren durfte. Das hat sich mittlerweile erledigt, so das dies kein Problem mehr darstellen sollte.
Was gibt es noch an Modellen?
Neben klassischen kabelgebundenen Kameras gibt es eben auch solche mit WLAN. Spannend sind zudem die Modelle, die mit Akku und optionalen Solarpanel betrieben werden können. Gemeint ist damit die Argus 2 und Argus Pro.
Gleichfalls interessant ist die neue E1 Pro, eine kompakte Indoor-WLAN-Kamera mit Schwenk- und Neigefunktion (PTZ). Preislich mit um die 60,00 € attraktiv, sofern sie hält was die Homepage, das Datenblatt und ein hoffentlich baldiger Test verspricht, kommt diese ebenfalls in unser Portfolio.
Was noch an Reolink gefällt
Neben der Auswahl an veschiedenen Kameras ist es vorteilhaft, das dieser Hersteller auch NVR (Network Video Recorder, z.B. RLN16-410) im Angebot hat. Wenn man kein NAS oder eine dedizierte Maschine die als „Überwachungsserver“ dient zur Verfügung hat und ein auf einander abgestimmtes System haben möchte, bietet sich die Kombi aus NVR und kompatiblen Kameras an.
Direkt ab Werk bzw. Lager stehen verschiedene Bundles zur Verfügung, z.B.
- RLK8-800B4 (1x NVR, 2TB HDD, 4x 8K Kameras)
- RLK16-410B8(1x NVR, 3TB HDD, 8x 5MP Kameras)
Im Gegensatz zu manch anderem Anbieter ist bei den Reolink NVR die Festplatte bereits inbegriffen und muss nicht seperat erworben werden. Die Paketpreise scheinen mehr ok zu sein. Am Beispiel des RLK16-410B8 konnten wir bei einem Kunden bereits durch den Preis punkten. Lagen wir noch deutlich unter 1000€ was das Material betraf, so war bei einem anderen Anbieter bereits 1300€ (ohne HDD!) für NVR und Kameras angesetzt.
Ebenfalls gut ist, das die Software, sowohl der Reolink Client (für bis zu 64 Kameras) sowie die Smartphone-Apps kostenlos zur Verfügung stehen. Manch anderer Anbieter verlangt für die Software pro Kanal (gemeint ist damit pro Kamera) Lizenzgebühren.
Bei einer Verführung der Demo-Kamera und Besprechung bei einem Kunden kam dann auch gleich ein erstes Projekt mit 12 Kameras und einem NVR zustande. Dazu ein andermal bzw. wenn es durchgeführt wurde mehr.
Zusätzlich war der Kontakt, ganz gleich ob PreSales oder Support, gut. Antworten folgten zügig und alle Fragen wurden geklärt.